Das Artefakt im Fokus – Mediävistische Wissensgeschichte in der interdisziplinären Praxis

Das Artefakt im Fokus – Mediävistische Wissensgeschichte in der interdisziplinären Praxis

Veranstalter
Georg-August-Universität Göttingen, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. (Anne Greule, Maria-Elena Kammerlander)
Ausrichter
Anne Greule, Maria-Elena Kammerlander
PLZ
37073
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
22.05.2025 - 24.05.2025
Deadline
18.02.2024
Von
Anne Greule, Jun.-Professur für die Geschichte des Frühen und Hohen Mittelalters, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte, Georg-August-Universität Göttingen; Maria-Elena Kammerlander, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte II, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

Tagung, Göttingen, 22.–24. Mai 2025

Das Artefakt im Fokus – Mediävistische Wissensgeschichte in der interdisziplinären Praxis

Die Wissensgeschichte kann mittlerweile als etabliertes theoretisches Konzept der Geschichtswissenschaft gelten, das der Neueren Kulturgeschichte wichtige Impulse gegeben hat. Neben einer gewissen Konsolidierung, die sich in der Veröffentlichung von Gesamtdarstellungen und Readern spiegelt, ist aber auch eine recht offensive (Selbst-) Kritik der Forschungsrichtung zu konstatieren, die insbesondere die wissensethischen und heuristischen Implikationen eines weiten Wissensbegriffs problematisiert. Dass die Wissensgeschichte der Gesellschaftsgeschichte als theoretisches Paradigma nachfolgt, wie es Philipp Sarasin vor gut zehn Jahren anvisierte, erscheint nunmehr unwahrscheinlich, vielleicht auch unpraktikabel.

Die ungebrochene Aktualität der Fragen, wie soziale Gruppen Wissen hervorbringen, es als solches kennzeichnen und verändern, zeigt aber auch, dass es nach wie vor einen konzeptionellen „Ort“ benötigt, um diesen Fragen nachzugehen – und diesen bietet die Wissensgeschichte unbestreitbar. Im Bewusstsein ihrer Grenzen und Schwächen gilt es also, neue Vorschläge zur Operationalisierung ihrer Theoreme zu erarbeiten. Dabei bedarf es einer produktiven Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes. In der Mediävistik wurde beispielsweise bereits eine Fokussierung auf Wissens- und Gebrauchsliteratur, auf bestimmte Institutionen oder auch soziale Formationen vorgenommen, die aufbauend auf den Konzepten der Wissensgeschichte neu betrachtet wurden. Dabei wurde auch das nach wie vor bestehende Potenzial der Wissensgeschichte für die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Mittelalterstudien reflektiert. So stellt die germanistische Mediävistin Angelika Kemper in der Einleitung zu ihrem Sammelband „Wissen in mittelalterlichen Gemeinschaften“ die Überlegung an, ob die „kulturwissenschaftliche Wissensforschung“ ein „Syntheseprojekt“ für die Ergebnisse der jeweiligen Fächer darstellen könne.

Die Tagung „Das Artefakt im Fokus“ möchte diesen Gedanken aufnehmen und damit einen Beitrag zur methodischen Bearbeitung der mit der Wissensgeschichte verbunden Probleme, aber auch Chancen für die Mediävistik leisten. Ihr Fokus ist dabei das aus dem Mittelalter überlieferte kulturelle Artefakt, sei es ein Text, ein Bild oder ein Objekt, für dessen Untersuchung eine wissensgeschichtliche Perspektive entwickelt werden soll. Der so gewählten Eingrenzung liegt die Hypothese zugrunde, dass das ‚Mittelalterliche‘ innerhalb einer langen, globalen Geschichte des Wissens sich in der zeitgenössischen Überlieferung spiegelt. Die Artefakte entspringen einer spezifisch mittelalterlichen Kultur und materialisieren implizites und explizites Wissen. An ihnen werden Praktiken des Wissens erkennbar und es lassen sich Ordnungsmuster sowie Visualisierungstechniken erschließen. Der Umgang mit mittelalterlichen Artefakten in wissensgeschichtlicher Perspektive verlangt zudem die Vertrautheit mit und die Anwendung von Methoden der Grundwissenschaften und integriert damit den material turn in die Wissensgeschichte. Mit diesem konzeptionellen Zuschnitt wurden bereits auf einem Workshop Fallbeispiele aus unterschiedlichen mittelalterlichen Kontexten diskutiert, um die Frage zu erörtern, wie die theoretischen Konzepte der Wissensgeschichte in der Mediävistik zu operationalisieren sind: Um die Wissensproduktion unter den medialen Bedingungen mittelalterlicher Kommunikation zu analysieren, kann mit den Begriffspaaren Distribuieren und Zurückhalten, Komprimieren und Entfalten, Stabilisieren und Transformieren gearbeitet werden, die als Praktiken durchaus ineinander verschränkt auftreten können.1

Wir laden Vertreter:innen aller mediävistischen Disziplinen ein, diese Gedanken aufzugreifen und auf der Tagung ihren wissensgeschichtlichen Zugriff auf ein kulturelles Artefakt des Mittelalters zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Gerne kann dabei die bereits erarbeitete analytische Trias erprobt werden, um die Spezifika der mittelalterlichen Wissensproduktion fallbeispielbezogen auszuleuchten. Bevorzugt versammeln möchten wir Beiträge, in denen zwei Vertreter:innen unterschiedlicher mediävistischer Disziplinen einen gemeinsamen Gegenstand wissensgeschichtlich bearbeiten und demonstrieren, wie die Wissensgeschichte als „Syntheseprojekt“ der mittelalterlichen Disziplinen funktionieren kann. Dieser anwendungsorientierte Zugriff soll die langfristige, methodisch abgesicherte Integration wissensgeschichtlicher Herangehensweisen in zukünftige Forschungsfragen der mediävistischen Disziplinen unterstützen. Die Ergebnisse der Tagung werden als Sammlung von Best Practice-Beispielen veröffentlicht.

Wir freuen uns über Abstracts (einzelne wie Doppelbeiträge) im Umfang von ca. 300–500 Wörtern bis zum 18. Februar 2024. Die Vorträge auf der Tagung sollten 25 Minuten (einzeln) bzw. 35 Minuten (für interdisziplinäre Zweierteams) nicht überschreiten.

Anmerkung:
1 Anne Greule, Maria-Elena Kammerlander, Tagungsbericht: „Von Rohem und Gekochtem“. Interdisziplinärer Workshop für eine Standortbestimmung der mediävistischen Wissensgeschichte, in: H-Soz-Kult, 13.10.2023, https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-139097.

Kontakt

anne.greule@uni-goettingen.de

Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung